Gemeinsam Kirche sein in den katholischen Kinder- und Jugendverbänden

Was heißt es für die katholischen Kinder- und Jugendverbände, dass sie Kirche sind, und was bedeutet es für die Kirche, dass die Verbände zu ihr gehören? Die im BDKJ in den Jahren 2012 bis 2015 erarbeitete Theologie der Verbände gibt Anstöße, um zu zukunftsweisenden Antworten zu kommen. Einige dieser Anstöße werden hier von Dr. Annette Jantzen, Referentin für Kirchenpolitik und Jugendpastoral an der BDKJ-Bundesstelle, kurz vorgestellt.

Erster Anstoß: Die Sendung bestimmt die Struktur

Verbände sind mehr als eine Struktur, so wie die Kirche als Ganzes mehr als eine Struktur ist. Die katholischen Kinder- und Jugendverbände sind als Orte von Kirche ein Raum, in dem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ein personales Angebot vorfinden, ein Raum, den sie selbst gestalten. Anteil an der Sendung der Kirche zu haben, bedeutet für die Kinder- und Jugendverbände, dass ihre Gemeinschaften im Vollsinn Ausdruck der Sendung der Kirche sind, wie es das Zweite Vatikanische Konzil beschrieben hat. Die Sendung der Kirche, die Familie der Kinder Gottes zu bilden und Gottes Wirken in dieser Welt sichtbar zu machen, ist eine Sendung aller Getauften, und die katholischen Kinder- und Jugendverbände nehmen diesen Auftrag an. Wenn in den Kinder- und Jugendverbänden der Glaube gelebt, von Gott gesprochen, das Wort Gottes in die Gegenwart hin übersetzt wird, dann wird damit nicht nur die kirchliche Überlieferung in eine jugendgerechte Sprache gekleidet, sondern dann wird der Glaube auf eine bestimmte Weise erschlossen, die wiederum Rückwirkungen auf das Gesamt der Kirche hat. Wenn die Kinder- und Jugendverbände sich beispielweise auf allen Ebenen bemühen, möglichst viel Partizipation zu ermöglichen, dann ist das nicht nur ein Mittel, um möglichst attraktiv zu sein, weil Kinder und Jugendliche leichter für eine Sache zu gewinnen sind, wenn sie sich inhaltlich einbringen, entscheiden und Verantwortung übernehmen dürfen. Sondern es entspringt der in den Kinder- und Jugendverbänden gelebten Überzeugung, dass jeder Mensch Wertvolles beizutragen hat, und es ist ein Zeichen für die Kirche als Ganzes, dass größtmögliche Partizipation aller, die sich einbringen möchten, eine unserer Gegenwart angemessene Form ist, gemeinschaftlich in der Nachfolge Christi zu stehen.

Zweiter Anstoß: Die Struktur drückt Identität aus

Die Verbände leben ihre Sendung aber auf ihre eigene Weise, indem sie von der Situation der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausgehen, für die und aus denen sie bestehen. Kinder- und Jugendverbände leben nach der Ordnung, die sie sich selbst gegeben haben, nämlich nach den Prinzipien der Demokratie und Partizipation, der Selbstorganisation, Freiwilligkeit, Ehrenamtlichkeit und Geschlechtergerechtigkeit und mit Aufmerksamkeit für unterschiedliche Lebenswelten und die Einheit von Wort und Tat. Mit ihren Prinzipien sind die Verbände Anders-Orte in der Kirche, aber dabei sind sie trotzdem ohne Einschränkung als Gemeinden beschreibbar. Ihre Prinzipien sind Ausdruck ihrer Identität. Sie sind aber zugleich die Weise der Verbände, sichtbare Kirche und Teil des Volkes Gottes zu sein, und Zeichen für eine Kirche, die in Vielfalt lebt.

Dritter Anstoß: Sendung in Strukturen

Ein Herzstück in der Struktur der katholischen Kinder- und Jugendverbände ist die Geistliche Verbandsleitung. Die Person, die das Amt der Geistlichen Verbandsleitung innehat, wird vom Verband gewählt – ob Laie oder Priester, Mann oder Frau. Ins Amt kommt sie dann durch bischöfliche Beauftragung. Sie ist dann mit den anderen in die Leitung gewählten Menschen gleichermaßen verantwortlich für die geistliche, inhaltliche, politische, strukturelle und wirtschaftliche Arbeit des Verbands. Das Amt der Geistlichen Verbandsleitung ist darum nicht auf die Themenbereiche Spiritualität und Glauben beschränkt, sondern gestaltet alles verbandliche Handeln aktiv mit. In dieser gemeinsamen Verantwortung des gewählten Vorstands steht das Amt der Geistlichen Verbandsleitung für die Erfahrung, dass die Menschen im Verband sich und ihr Zusammenwirken der Gnade Gottes verdanken und dass der Horizont ihres Handelns das Reich Gottes ist. Die Geistliche Verbandsleitung bringt diese Perspektive in alle Leitungsaufgaben des Vorstands ein. Das erprobte Zusammenspiel von demokratischer Wahl und kirchlicher Beauftragung zur geistlichen Verbandsleitung kann ein Vorbild auch für andere kirchliche Strukturen sein, denn es zeigt, dass Hierarchie und Demokratie keine Gegensätze sein müssen. Mit der Geistlichen Verbandsleitung zeigen die Verbände, wie sie Kirche sind: geschwisterlich und dialogisch.

Vorausblicke

Bei der Erneuerung der Pastoral können die Verbände gerade auch als Orte von gemeinsam gelebter Spiritualität in den Blick kommen. Das Zusammenspiel Haupt- und Ehrenamtlichkeit, Wahl und Beauftragung, die geteilte Verantwortung aller auch für die gelebte Spiritualität, die Bedeutung des Lebensweltbezugs, der Anspruch, der eigenen Sendung treu zu bleiben und gemeinsam das Reich Gottes im Blick zu behalten: Das sind Herausforderungen für die Kinder- und Jugendverbände, aber auch für die gesamte Pastoral. Wir sind hier nicht allein, sondern gemeinsam unterwegs. Die Anstöße der Theologie der Verbände wollen darum auch Anstöße für die gesamtkirchliche Pastoral sein, hin zu neuer Dynamik, Lebendigkeit und Leben in Fülle.

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