Zwölf Sätze zur Charismenorientierung

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Die Pfarreiengemeinschaft Wuppertal Südhöhen hat sich bereits vor einigen Jahren auf den Weg gemacht, sich stärker an den Charismen und nicht so sehr an den vermeintlich zu bewältigenden Aufgaben zu orientieren. Hierbei sind erste Erfolge, aber auch zukünftige Herausforderungen sichtbar geworden. Nach einem längeren Prozess der Auseinandersetzung und Aneignung sind in einem gemeinsamen Verständigungsprozess des Pastoralteams zwölf Sätze zur Charismenorientierung entstanden.
  1. Als wir unser Pastoralkonzept geschrieben haben, also das Papier, in dem wir beschreiben, wie wir uns selbst sehen als Kirche und Gemeinden, da haben wir uns von Paulus und dem 12. Kapitel seines 1. Korintherbriefs leiten lassen. Dieser beschreibt eine Gemeinde als die Gemeinschaft von Menschen, die einander völlig ebenbürtig sind an Würde und Rang und die einander ergänzen mit dem, was jeder und jede mitbringt.

  2. Eine Gemeinde ist dabei kein Freundeskreis und kein Sympathisantenzirkel. Sondern sie findet zusammen, weil alle Einzelnen in ihr vom Geist Jesu berührt sind, weil das, was er sagt und lebt, ihr Leben bewegt, und weil Menschen, die so zusammenkommen, darin Gott suchen und erahnen.

  3. Ganz verschiedene Menschen kommen so zusammen, und jeder und jede bringt etwas mit: eine Gabe, ein Talent, eine Fähigkeit. Die Glaubenssprache nennt das „Charisma“ (im Plural: „Charismen“). Das meint: Die Gabe, die Fähigkeit, die ich habe, ist eine Wirkung von Gottes Geist! In ihr lebt dieser Geist in mir! Sie ist ein Geschenk Gottes an mich! Sie hilft mir zu meiner Identität, also: gibt mir Selbststand und Lebensinhalt.

  4. Ein Charisma, eine Gabe, hat immer auch eine zweite Seite: Sie ist für andere da, belebt die Gemeinschaft, lässt Gottes Geist in der Gemeinde zur Wirkung kommen, „nützt anderen“ (wie Paulus sich ausdrückt).

  5. Jeder Mensch in einer Gemeinde hat mindestens ein Charisma, eine Fähigkeit! Jeder und jede von uns verfügt mindestens über eine Gabe! Das ist so! Es gibt keine Christenmenschen ohne ihre eigene Begabung!

  6. Diese Gaben sind sehr verschieden. Manche führen einen Menschen mehr in die Öffentlichkeit (zum Beispiel eine Flötistin), manche lassen einen Menschen sehr verborgen sein (zum Beispiel die Rosenkranzbeterinnen in St. Joseph). Es gibt aber keinen Unterschied in der Wertigkeit der Charismen! Jedes ist gleich viel wert und dient dem Leben einer Gemeinde aus Gottes Geist. Wer die eigene Gabe geringschätzt oder nicht einbringt, entzieht der Gemeinde einen wichtigen und unersetzbaren Lebensquell.

  7. Deshalb dienen die Charismen auch nicht zur Bewertung ihrer Trägerinnen und Träger. Sie sagen nichts darüber aus, ob er oder sie ein besonders toller Mensch ist. Sie sind ja einfach da. Niemand kann etwas dafür. Sie müssen nur gelebt werden.

  8. Die Charismen stehen daher nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich. Es wäre total langweilig in einer Gemeinde, wenn dort nur die musikalischen Gaben geschätzt würden und die handfesten, praktischen Gaben nicht. Da würde wohl alles durcheinander gehen. Nur indem jeder und jede sich mit der eigenen Gabe geschätzt weiß und sie betätigen darf, erwacht in einer Gemeinde Leben aus Gottes Geist – das aber dann gewaltig!

  9. Vier Beispiele für Charismen/Gaben aus unseren Gemeinden, in denen ein Mensch sich selbst findet, zugleich anderen nützt und eine Atmosphäre im Geist Jesu mitgestaltet: ein Koch aus St. Joseph, eine ehrenamtliche Chorleiterin aus St. Christophorus, ein Kommunikator aus St. Hedwig, eine Sozialorganisatorin aus Hl. Ewalde. Diese Beispiele dienen der Konkretion, nicht der Hervorhebung dieser Personen. Wie diese vier haben auch Sie Ihre Fähigkeit. Die gilt es zum Klingen zu bringen. Was an diesen Beispielen zu erkennen ist: Diese vier empfinden ihr Tun nicht als Mühe oder Plage (auch wenn sie sich manchmal anstrengen müssen). Sie tun einfach, was in ihnen steckt. Und das hat Wirkung. Das macht sie und andere froh. Darin, meint Paulus, ist Gottes Geist konkret am Werk.

  10. Im Vertrauen darauf, dass unsere Gemeinden zum Leben kommen bzw. am Leben bleiben und aufblühen, wenn wir den Gaben unter uns Raum geben, haben wir das Pastoralkonzept geschrieben und wollen jetzt noch stärker auf Orientierung an den Charismen setzen. Das heißt: Die Gremien und die Seelsorgerinnen und Seelsorger sagen nicht mehr: Das muss es in unseren Gemeinden geben, dieses muss sein, jenes hatten wir doch immer – und dann sucht man die Person, die es macht (oft ist es die, die am schlechtesten „Nein“ sagen kann), der es aber vielleicht gar nicht liegt, die sich dafür plagen muss. Und dann schleppt sich eine solche Aktion vor sich hin, strahlt nichts aus und zieht niemanden mit. Sondern: Wir spüren die Gaben und Fähigkeiten auf – bei uns selbst und bei den Menschen in unseren Gemeinden. Wir ermutigen und fördern sie darin, sie zu betätigen: zur eigenen Freude und zur Freude der Gemeinde. Und wir werden sehen: Von dem, was wir auf diese Weise in den Gemeinden tun, geht etwas aus (vgl. die vier Beispiele aus Satz 9!). Das ist Gottes Geist!

  11. Dazu braucht es die Grundhaltung des Vertrauens: dass es diese Gaben wirklich gibt, dass Gott sie uns schenkt und darin unsere Gemeinden belebt. Ich bin felsenfest überzeugt: Es gibt genug Gaben – sie müssen nur erspürt und gefördert werden. Deshalb heißt es: Augen auf für die anderen und deren Charisma! Nehmen wir wahr und würdigen wir, was in einem jeden und einer jeden steckt! Darin zeigt sich die reale Gegenwart Gottes unter uns! Sie kann sich sogar außerhalb der Gemeinden zeigen, wenn jemand die eigene Gabe auch am Arbeitsplatz oder in der Nachbarschaft lebt.

  12. Auf eine Kirche hin, die in diesem Vertrauen lebt, möchten wir uns in unseren vier Gemeinden auf den Weg machen. Wir werden in Akzeptanz und Wertschätzung, in Freude und Würdigung und in Ebenbürtigkeit miteinander leben. Natürlich braucht es zum Zusammenleben auch das Charisma der Leitung. Aber diese Gabe ist gleichrangig unter den vielen und hat dem Leben des Gesamten zu dienen. Das heißt: In den nächsten Monaten werden zunächst die Menschen in den Gemeinderäten angeregt, ihre Gaben zu entdecken und über Konsequenzen daraus nachzudenken. Dann werden die Gemeinderäte jeweils in ihrer Gemeinde auf die Suche nach den Gaben gehen. Und sie werden sich in ihren Projekten und Aktionen von der Frage leiten lassen: Was kann ein Mensch? Was bringt er mit? Wen betrauen wir mit einer Aufgabe (nämlich nur den Menschen, dem die Tätigkeit entspricht!)? Das alles ist keine Spielerei und nicht mal eben getan. Deshalb haben wir konkrete Fragestellungen heute außen vor gelassen. Wir stehen vor einem intensiven Prozess. Das Seelsorgeteam hat bei seiner letzten Klausurtagung mit sich selbst den Anfang gemacht (und ist noch lange nicht fertig …).

Wir freuen uns auf Entdeckungen und viele lebendige Erfahrungen miteinander!

Wir freuen uns darauf, Gottes Geist unter uns aufzuspüren und Ihm Raum zu geben!

Bereitgestellt von: Bischöfliches Generalvikariat Münster, Hauptabteilung Seelsorge, Redaktion der Zeitschrift „Unsere Seelsorge“.