Kirche der Beteiligung konkret

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Ehrenamtliche Gemeindeleitungsteams im Bistum Osnabrück

Wie lassen sich neue Formen des Kircheseins vor Ort etablieren? Dr. Daniela Engelhard, Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Osnabrück, und Nicole Muke, Diplom-Religionspädagogin und Supervisorin, beschreiben die Phasen, welche zur Umsetzung des Konzepts einer Kirche der Beteiligung notwendig sind.

Kirche der Beteiligung – das ist ein Weg, eine Bewegung, ein Prozess. Im Bistum Osnabrück gibt es verschiedene Lerngemeinschaften, die sich auf diesen Weg einlassen und an ihren Orten Kirchenentwicklung gestalten. Dabei entfaltet sich eine spannende Dynamik. Die folgenden Ausführungen geben einen Einblick in den Weg zu einer „Kirche der Beteiligung“ in unserem norddeutschen Diasporabistum. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt hier auf der Bildung und Beauftragung von ehrenamtlichen „Gemeindeteams“.

1.   Wie kam es zu diesem Prozess? – Signale der Veränderung

Mehrere Gründe und Anlässe führten zu der Bewegung „Kirche der Beteiligung“ in unserem Bistum:

  • Vor Jahren ist für die zehn Dekanate des Bistums ein „Perspektivplan 2018“ erarbeitet worden. Bei der Erstellung und Umsetzung dieses Pastoralplanes, an der zahlreiche Gremien und Personen beteiligt waren, wurde eines sehr deutlich: Es reicht nicht, sich um Strukturen zu kümmern. Notwendig sind vielmehr geistlich fundierte Kirchenentwicklungsprozesse, die u. a. die Vernetzung verschiedener Orte im Dienst einer lebensraumorientierten Pastoral fördern.
  • Die im Jahr 2010 öffentlich gewordenen Missbrauchsfälle und die damit verbundene kirchliche Vertrauenskrise brachten dann auf ihre Weise Entscheidendes ins Rollen. Die Krise war uns im Bistum ein Anlass, neu über die Themen Macht und Leitung in der Kirche nachzudenken. Innerhalb unseres diözesanen Dialogprozesses wurde der Beschluss gefasst, „Modelle der gemeinsamen Verantwortung in der Pastoral“ zu fördern und weiterzuentwickeln. An mehreren Orten sollten Modellprojekte initiiert werden.
  • Auch die Nachwuchszahlen im Bereich des pastoralen Personals – insbesondere bei den Priestern – zeigen schon seit Längerem die Dringlichkeit von Veränderung. Laut jüngster Statistik gab es im Jahr 2015 für alle 27 deutschen Diözesen zusammen nur 51 Priesterweihen. Diese Realität zeigt: So wie bislang kann es nicht weitergehen. Die Formen der Verantwortung und Leitung in der Kirche müssen weiterentwickelt werden. Wiederholt hat Bischof Bode betont, es sei wichtig, Erfahrungen mit neuen Verantwortungsmodellen zu sammeln.
  • Im August 2015 erschien das Schreiben der Deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“. Mit seinen Ausführungen zu einer Charismenorientierung in der Pastoral, zum gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und zum kirchlichen Leitungsdienst bietet es im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils eine wichtige theologische Grundlegung für den Weg einer Kirche der Beteiligung und gibt Rückenwind für konkrete weitere Schritte.

2.   Wie wird Kirche in anderen Kontexten gelebt? – Weltkirchliche Inspirationen

Verschiedene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen unseres Bistums wie auch der Bischof konnten in weltkirchlichen Kontexten in den letzten Jahren äußerst bereichernde und inspirierende Erfahrungen sammeln. Bei Reisen nach Honduras, nach Frankreich und in die österreichische Diözese Linz haben wir beauftragte Laien in örtlichen Gemeinden (équipes) bzw. ehrenamtliche Seelsorgeteams erlebt.

Besonders prägend wurden für uns die Begegnungen mit dem Team des Pastoralinstitutes „Bukal ng Tipan“ in Manila, die uns Einblicke in Kirchenentwicklungsprozesse mehrerer philippinischer Diözesen ermöglichten. Zu dem ganzheitlichen Kurskonzept von Bukal gehören spirituelle, theologische, liturgische und organisationsentwicklerische Anteile, dazu kommen konkrete Exposure-Erfahrungen in Pfarreien.

Wie gelingt es dort, den Graben zwischen der Kirche und der Lebenswelt der Menschen zu überwinden? Wie kann in den riesigen Pfarreien mit etwa 80.000 Mitgliedern Kirche vor Ort in kleinen Basisgemeinschaften gelebt werden? Neben solchen Fragen legt das Team um die philippinische Theologin Estela Padilla und den Ordensmann Marc Lesage einen Schwerpunkt auf das Thema „Visionsentwicklung“. Eine entscheidende Lernerfahrung aus Bukal ist diese: Visionen sind nur dann tragfähig, wenn sie von möglichst vielen geteilt werden (shared vision). Das aber verlangt partizipative Visionsentwicklungsprozesse.

3.   Wohin führt der Weg? – Vision und Ziele

Im Rahmen eines diözesanen Dialogprozesses ist vor einigen Jahren diese Bistumsvision entwickelt und verabschiedet worden:

„Wir wollen eine missionarische Kirche sein, die Gott und den Menschen nahe ist. Deshalb gestalten wir unser Bistum im Zusammenleben mit den Menschen so, dass sie darin den Glauben als sinnstiftend und erfüllend, kritisch und befreiend erleben, sich in ihrer jeweiligen Lebenswirklichkeit angenommen wissen, ein Zuhause und Gemeinschaft finden.“

Diese Vision stellt als Ausgangspunkt für unseren Weg eine wichtige Orientierung dar. Da jedoch nur eine geteilte Vision tragfähig ist, sind möglichst viele in den Gemeinden, Gremien, Einrichtungen und darüber hinaus an den Fragen zu beteiligen: Wohin wollen wir Kirche entwickeln? Wie können wir die Botschaft des Evangeliums neu entdecken und anbieten? Wie sieht für uns ein realistischer Weg in die Zukunft aus? Welche Zielsetzungen resultieren daraus und welche Verantwortungsmodelle passen in unsere Situation? Solche Visionsprozesse und Zielfindungen müssen vor Ort in den pastoralen Räumen verankert sein. Sie werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des diözesanen Seelsorgeamtes begleitet.

4.   Leitplanken für den Weg einer Kirche der Beteiligung

Für die gemeinsame Erarbeitung von Zielen haben wir „Leitplanken“ formuliert. Sie orientieren sich an der Bistumsvision und enthalten wesentliche Grundsätze einer Kirche der Beteiligung:

  • Beteiligung der Getauften:
    Taufe ist eine dynamische Wirklichkeit, in die Christen im Laufe ihres Lebens hineinwachsen. Die Priester und Hauptberuflichen in der Pastoral stehen im Dienst der Taufberufung aller.1 Die Getauften und Gefirmten werden darin bestärkt, Leitungsverantwortung in ihrer Gemeinde/Gemeinschaft zu übernehmen.
  • Leben aus dem Wort Gottes:
    Kirchenentwicklung empfängt ihre wesentliche Inspiration aus dem Wort Gottes. Deshalb üben wir die Begegnung mit der Bibel in der Form des Bibelteilens und durch vielfältige andere Zugänge ein.
  • Orientierung an den Lebens- und Sozialräumen:
    Wir fördern eine Pastoral, die sich auf die Lebensthemen und ‑welten der Menschen bezieht. Eine solche Pastoral greift soziale, politische und kulturelle Herausforderungen auf. Sie knüpft Netzwerke bzw. beteiligt sich an Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Partnern.
  • Dezentralität und Beheimatung:
    Eine lebensweltorientierte Pastoral kann von größeren pastoralen Räumen sehr profitieren. In den vielen ländlichen Regionen des Bistums Osnabrück bleibt es jedoch unverzichtbar, dezentrale Strukturen zu erhalten und zu fördern. Nur wo Kirche im Nahbereich erlebt und erfahren werden kann, wird den Menschen Beheimatung ermöglicht.

5.   Beteiligung konkret – Das Gemeindeteam

Unter einem Gemeindeteam verstehen wir ein Team von circa vier bis sieben Ehrenamtlichen, die Leitungsverantwortung vor Ort in ihrer Gemeinde wahrnehmen. Die Ehrenamtlichen üben diesen Dienst in Abstimmung mit dem Pfarrgemeinderat, dem Kirchenvorstand, dem Pfarrer und den hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus. Wir unterscheiden dabei zwischen der Leitung auf der größeren Ebene einer Pfarreiengemeinschaft oder neuen Pfarrei und der Leitungsverantwortung auf der lokalen Ebene in der Gemeinde vor Ort. Das Gemeindeteam erhält die Legitimation durch eine bischöfliche Beauftragung, die zunächst für drei Jahre ausgesprochen wird. Konkrete Zuständigkeiten und Vernetzungen werden vereinbart und haben von Ort zu Ort unterschiedliche Ausprägungen. Im Folgenden sind übergeordnete Aufgaben des Gemeindeteams benannt, die seine grundsätzliche Ausrichtung deutlich machen.

5.1. Übergeordnete Aufgaben

  • Ausrichtung der Pastoral am Wort Gottes
  • Wahrnehmung der Situation vor Ort
  • Entwicklung und Förderung eines neuen Kirchenbildes und damit Leitungsverständnisses
  • Sicherung der Seelsorge in den vier kirchlichen Grundfunktionen
  • Entdecken von Gaben und Fähigkeiten der Menschen vor Ort
  • Ermutigung und Beteiligung möglichst vieler Menschen
  • Ausbau von Vernetzungsstrukturen und Förderung von Kooperation

5.2. Mögliche Konkretisierungen

Die Mitglieder des Gemeindeteams übernehmen eine „Anwaltschaft“ für einen der vier Bereiche: „In Zukunft Gemeinde gestalten“, „In Zukunft Gottesdienst feiern“, „In Zukunft glauben“, „In Zukunft solidarisch handeln“. Ihr Dienst gestaltet sich entsprechend den örtlichen Gegebenheiten und kann folgende Konkretisierungen umfassen:

  • „In Zukunft Gemeinde gestalten“:
    Sorge für gute Kommunikation und transparente Information, Terminkoordinierung und Überblick über die Abläufe im Jahreskreis, Schaffen von Begegnungsmöglichkeiten über den „inner circle“ hinaus, Sorge für gute ökumenische und interreligiöse Nachbarschaft
  • „In Zukunft Gottesdienst feiern“:
    Mitsorge um die Gestaltung von gottesdienstlichen Orten, Leitung des Liturgiekreises, Koordination der liturgischen Dienste, Koordination der Kirchenmusik, Gestaltung und Leitung von Gottesdiensten, Begleitung der Ministranten, Sorge für neue Gottesdienstformen
  • „In Zukunft glauben“:
    Koordination der Katechese, Erfassung von Fortbildungsbedarf und Sichern entsprechender Angebote, Fördern verschiedener Formen von Glaubenskommunikation, Einladen zum Bibelteilen, Unterstützen von Initiativen Jugendlicher und junger Erwachsener
  • „In Zukunft solidarisch handeln“:
    Kontakte zu sozialen und kulturellen Einrichtungen vor Ort (Kindertagesstätten, Alten- und Pflegeheime, Krankenhaus, Runder Tisch Flüchtlinge, Hospizgruppe, kommunale Partner …), Vernetzung zwischen gemeindlicher und verbandlicher Caritas, Erfassung neuer Bedarfe, Sorge um die ehrenamtlich Engagierten

Aus der Fülle der möglichen Aufgaben muss eine Auswahl getroffen und vereinbart werden, damit der Dienst im Gemeindeteam lebbar ist.

6.   Etappen auf dem Weg – Zur Gestaltung der Prozessphasen

6.1. Phase 1 – Anfrage und Auftrag

Grundsätzlich gibt es im Bistum unterschiedliche Optionen, auf die aktuellen Veränderungen zu reagieren und eine „Kirche der Beteiligung“ zu fördern. Unter dem Aspekt der geteilten Leitungsverantwortung auf der lokalen Ebene innerhalb einer Pfarrei/Pfarreiengemeinschaft ist das Modell Gemeindeteam eine wichtige neue Option. Dieses Modell wird in Gremien und Räten des Bistums miteinander beraten. Die Projektstandorte ergeben sich dann z. B. durch Anfrage der Pfarrer bzw. pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einer Pfarrei oder Pfarreiengemeinschaft. Die Befürwortung des Projektes durch den Pfarrer ist Voraussetzung für den weiteren Prozess. Die Personalabteilung berücksichtigt die Entscheidungen für Projektstandorte bei Versetzungen und versucht eine Personalkonstanz für den Zeitraum der Projektphase von 3 Jahren zu garantieren.

6.2. Phase 2 – Klärungen im Hauptamtlichenteam

Mit der Beauftragung eines Gemeindeteams verändert sich die Rolle der Hauptamtlichen. Ihre Rolle wird wesentlich die der Ermöglicher, ihr Dienst gilt der Befähigung der Ehrenamtlichen. Stärker als bislang besteht die Aufgabe der hauptamtlichen pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in der Fortbildung der ehrenamtlich Tätigen. An den konkreten Projektstandorten zeigt sich, wie notwendig die Wahrnehmung dieser Aufgabe ist. Die Rollenveränderungen lösen auch Verunsicherungen aus. Hauptamtliche lassen sich auf einen für sie neuen, unbekannten Weg ein und müssen zugleich bei den anderen Beteiligten für Orientierung und Sicherheit sorgen. Dafür braucht es Personen, die bereit sind, Wege ins Offene zu wagen, einen Wandel ihres Berufsprofils aktiv mitzuvollziehen, und die zudem eine hohe Kommunikationskompetenz mitbringen.

Mit Beginn dieser Phase begleitet ein Referententeam des Bistums – in der Regel ein Tandem – den Prozess vor Ort. In den Kontakten geht es u. a. um folgende Themen:

  • Wie verändert sich meine Rolle? Was heißt das sehr konkret für meine Arbeitsaufgaben?
  • Welches Kirchenbild hat mich geprägt? Welche Kirche möchten wir fördern?
  • Was ist meine Berufungsgeschichte? Wie wirkt dieser Veränderungsprozess sich auf meine Berufung oder meine Berufung sich auf diesen Veränderungsprozess aus?

Sorgen der Hauptamtlichen wie etwa: „Mit einem Gemeindeteam schaffe ich mich selber ab!“ müssen ernst genommen und gemeinsam gut bearbeitet werden.

6.3. Phase 3 – Beratung mit den Gremien

Im Bistum Osnabrück gibt es differenzierte Modelle für die Gremienstrukturen auf zentraler und dezentraler Ebene. Bei aller Unterschiedlichkeit der Projektstandorte zeichnen sich hinsichtlich der Überlegung „Wollen wir hier bei uns ein Gemeindeteam etablieren?“ vier Fragestellungen ab:

  • Was ist der Mehrwert einer Beauftragung?
  • Werden wir für ein Gemeindeteam überhaupt Menschen finden?
  • Wird die Gemeinde das Gemeindeteam in seiner Arbeit akzeptieren?
  • Wie gestaltet sich das Verhältnis des Gemeindeteams zu den Gremien, in besonderer Weise zum Pfarrgemeinderat?

6.4. Phase 4 – Suche und Vorbereitung geeigneter Personen

Die Arbeitsweise in unseren Kirchengemeinden zeichnet sich häufig durch eine starke Aufgabenorientierung aus. In der Regel werden Menschen auf die Übernahme bestimmter Aufgaben angesprochen. Bei der Suche nach Menschen für ein Gemeindeteam aber geht es nicht darum, eine vorab schon beschriebene Aufgabe auszufüllen, sondern einen Dienst wahrzunehmen, der die ganze Person fordert. Deshalb steht in der Vorbereitungs- und Klärungsphase die Auseinandersetzung mit der eigenen Berufung im Mittelpunkt: Bin ich bereit, lasse ich mich rufen, für eine gewisse Zeit diesen Dienst gemeinsam mit anderen zum Wohl der Gemeinde auszuüben? Die Änderung der Blickrichtung ist dabei von großer Bedeutung: von einer „Aufgabenorientierung“ hin zu einer „Charismenorientierung“. Eben dazu ermutigt ausdrücklich das Schreiben der Deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“.2 Wir suchen nach Menschen, die die Gabe des Hörens besitzen; die eine hohe Präsenz und Verlässlichkeit für andere zeigen und sich gleichzeitig zurücknehmen, damit andere sich entfalten können; Personen, die leicht mit anderen in Kontakt kommen und zugleich in der Kommunikation diskret sind, über Gelassenheit und Gottvertrauen verfügen. Der Pfarrgemeinderat wird in diese Suche einbezogen und gebeten, geeignete Personen vorzuschlagen. Bislang ist es gut gelungen, Interessenten für den Dienst im Gemeindeteam zu gewinnen.

Diese Personen begeben sich dann zusammen mit den Hauptamtlichen in eine Lerngemeinschaft, die von dem bereits erwähnten Tandem begleitet wird. Dabei geht es um folgende Schwerpunkte:

  • Kennenlernen und Einüben unterschiedlicher Formen des Bibelteilens
  • Vertieftes Einüben ins Hören – mit Ansätzen aus geistlicher Tradition und Kommunikationswissenschaft
  • Prüfung der eigenen Berufung auf der Grundlage einer „Unterscheidung der Geister“
  • Arbeit an Kirchenbildern und einer Vision von Kirche
  • Auseinandersetzung mit den vier Grundvollzügen von Kirche
  • Einüben von Partizipation als Grundhaltung einer ermöglichenden Leitung

Entscheidend ist, dass die Vorbereitung als gemeinsamer spiritueller Lernweg verstanden und erlebt wird. Dem dienen auch die Gespräche, die von den ProzessbegleiterInnen etwa in der Mitte der Vorbereitungszeit mit jeder der Personen geführt werden, um den individuellen Unterscheidungsweg zu unterstützen. Am Ende dieser Vorbereitungsphase entscheiden die Einzelnen zunächst für sich und dann in der Gruppe, ob und mit welcher „Anwaltschaft“ sie sich für den Dienst im Gemeindeteam zur Verfügung stellen. Außerdem bestimmen sie, wer aus ihrer Mitte dem Team als Moderator oder Moderatorin zur Verfügung stehen soll.

6.5. Phase 5 – Beauftragung

Die Beauftragung findet innerhalb eines Sonntagsgottesdienstes der Ortsgemeinde statt. Hier werden die zu beauftragenden Personen durch Mitglieder der gewählten Gremien – Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand – der Gemeinde vorgestellt und benannt. Nachdem die Mitglieder des Gemeindeteams ihre Bereitschaft vor der Gemeinde öffentlich erklärt haben, überreicht ihnen die Seelsorgeamtsleiterin als Vertreterin des Bischofs die bischöfliche Beauftragungsurkunde. Ein Segensgebet für das Gemeindeteam und die Akklamation der Gemeinde beschließen die Beauftragung.

6.6. Phase 6 – Zusammenarbeit zwischen den Verantwortungsträgern

Eine gute Vernetzung mit den gewählten Gremien und den Hauptamtlichen ist für den Dienst des Gemeindeteams unverzichtbar. So wird nicht nur der notwendige Informationsfluss, sondern auch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen gesichert. Es entwickelt sich stärker eine Kultur des Miteinanders und Füreinanders, in der Konsensentscheidungen gefördert werden. Eine Person aus dem hauptamtlichen Pastoralteam – z. B. eine Gemeindereferentin – ist Ansprechpartnerin und Bezugsperson für das Gemeindeteam.

Nach den bisherigen Erfahrungen sind folgende Formen für die konkrete Zusammenarbeit empfehlenswert:

  • Der Moderator/die Moderatorin des Gemeindeteams nimmt einmal im Monat an den Dienstbesprechungen der Hauptamtlichen teil.
  • Eine weitere Person aus dem Gemeindeteam nimmt an den Sitzungen des Pfarrgemeinderates teil.

6.7. Prozessphasen im Überblick

Schema der Prozessphasen

7.   Teams brechen auf – Lernsetting

Für das Gelingen von Kirchenentwicklungsprozessen sind differenzierte Lernsettings notwendig. Diesem Erfordernis suchen wir in unseren „Werkstätten Kirche der Beteiligung“ Rechnung zu tragen. Sie werden grundsätzlich für Teams aus Haupt- und Ehrenamtlichen angeboten. Der Teamansatz ist eine wesentliche Bedingung für die Teilnahme. Einige der Ehrenamtlichen sollten aus den gewählten Gremien bzw. den beauftragten Gemeindeteams entsendet werden, hinzu kommen Interessierte aus der Gemeinde und Hauptamtliche. Wünschenswert ist die Teilnahme des Pfarrers. Der Weg einer Kirche der Beteiligung ist jedoch keineswegs nur für den gemeindlichen Bereich relevant. Er kann sich in unterschiedlichen kirchlichen Kontexten und Sozialformen realisieren.

Das Kurskonzept besteht aus einem Start-up-Tag, zwei grundlegenden Werkstätten und einer dritten Werkstatt mit unterschiedlich wählbaren Schwerpunkten. Folgende Themen werden bearbeitet:

  • Werkstatt I:
    Leitplanken einer „Kirche der Beteiligung“ – Kirchenbilder/Haltungen/Rollen – Taufbewusstsein/theologische Vergewisserung – Partizipation/größtmögliche Beteiligung – Gemeinde als Lebensraum
  • Werkstatt II:
    Visionsentwicklung – Befähigende Leitung – Rollen im Team – Unterscheidung der Geister – Projektmanagement
  • Werkstatt III:
    z. B. Communitybuilding – Partizipative Liturgiefeiern – Charismenorientierung – Evaluation

Nach den ersten Erfahrungen sind drei Aspekte grundlegend wichtig:

  1. Alle Kursinhalte finden ihren Ausgangspunkt in der Hl. Schrift und ihre Rückbindung an eine liturgische Feier.
  2. Weltkirchliche Erfahrungen inspirieren unseren Aufbruch.
  3. Durch den Austausch zwischen Teams aus Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen mehrerer Pfarreien ermutigen und bereichern sich die Teilnehmenden gegenseitig.

Die Werkstätten dienen der Weiterentwicklung einer „Kirche der Beteiligung“. Gleichzeitig bieten sie eine Auseinandersetzung mit dem Thema „Teilhabe an Leitungsverantwortung – Ermöglichende Leitung“, das sich dann im Modell „Gemeindeteam“ konkretisieren kann.

8.   Wo wächst Neues? – Rollen und Haltungen in einer Kirche der Beteiligung

Aus der Organisationsentwicklung ist bekannt, dass neben der Strategie und den daraus folgenden Strukturen die Kultur eine entscheidende Rolle in Veränderungsprozessen spielt. Zur Kultur gehört die Pflege der Kommunikation genauso wie die damit verbundenen Haltungen. In den Werkstätten wird eine Kultur des Miteinanders, des offenen Dialogs, des gemeinsamen Lernens und der Experimentierfreude gefördert. Dabei tritt die Unterscheidung zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen in den Hintergrund, die gemeinsame Berufung und Sendung aus der Taufe in den Vordergrund. Für die Hauptberuflichen geht es vor allem darum, durch ihren Dienst andere Getaufte zu deren Dienst zu befähigen und neue Wege der Partizipation zu ermöglichen, während die Ehrenamtlichen in eine neue Qualität von Verantwortung hineinwachsen. Das führt zugleich in die Tiefe und in die Weite – nicht nur im Teamverständnis, sondern im Taufbewusstsein aller Beteiligten.

Dem Team des Pastoralinstitutes Bukal ng Tipan verdanken wir die Einsicht, dass eine partizipatorische Haltung allein nicht genügt. Es geht immer um eine größtmögliche Partizipation und darum, wie wir diese ermöglichen können. Viel hängt auch von der Frage ab, in welcher Grundhaltung wir generell die Realitäten wahrnehmen: Arbeiten wir uns an Begrenzungen ab oder richten wir unseren Blick stärker auf die Möglichkeiten?

In unseren Werkstätten pflegen wir eine „Kultur der Möglichkeiten“ und entdecken dadurch neue Wege für die Pastoral. Staunend und dankbar erleben wir, wie ungeahnte Energien freigesetzt werden, Neues wächst und eine ansteckende Freude sich ausbreitet.

Der Beitrag wird in Kürze in der Tagungsdokumentation „Wie lernt Kirche Partizipation? – Theologische Diskussion und praktische Erfahrungen“ im Echter-Verlag erscheinen.


  1. Vgl. Wort der deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“, S. 38–40.
  2. Vgl. Wort der deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“, S. 19.