Führungskultur aus dem Mönchtum!?

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Impuls aus der Benediktusregel

Gleich zwei Kapitel widmet der heilige Benedikt dem, der „es auf sich nimmt“, andere Menschen zu führen: dem Abt bzw. der Äbtissin. Schwester Benedikta OSB, selbst Äbtissin der Benediktinerinnenabtei zur Hl. Maria in Fulda, zeigt auf, worauf Benedikt beim Inhaber des Abtsamts Wert legt und entfaltet daraus Denkanstöße für die Wahrnehmung von Leitung in Gemeinden, Pfarreien, Diözesen und darüber hinaus.

„Benedikt für Manager“ ist in den letzten Jahren ein beliebtes und nachgefragtes Thema für Referenten aus dem benediktinischen Raum geworden. Offensichtlich trauen heutige Führungskräfte einem Abt aus dem 6. Jahrhundert zu, ihnen Ratschläge und Einsichten für ein gutes Gelingen ihrer Leitungsaufgabe vermitteln zu können. Nicht zu Unrecht, wie ich glaube.

Interessant ist, dass die Vokabel „führen/Führung“, „leiten/Leitung“ (regere, ducere) in der Benediktusregel zwar durchaus vorkommt, aber doch kaum in der Bedeutung von Leiten und Führen eines Betriebes oder von Mitarbeitern, überhaupt von anderen Personen. Normalerweise geht es um den Blick auf die eigene Lebens‑Führung, das Aus‑Führen von Befehlen, und darum, sich leiten zu lassen. – Vielleicht haben wir hier schon eine erste wichtige Erkenntnis: Führen und Geführt-Werden gehören zusammen; wer führt, muss selbst geführt sein und sich führen lassen.

Christus, der Abt, und die geteilte Verantwortung

Nur in Bezug auf den Abt wird ausdrücklich davon gesprochen, dass er es auf sich nimmt, andere Menschen zu führen (RB 2,31.34.37). Die Formulierung sagt viel: er nimmt es auf sich. Er bewirbt sich nicht für diese Aufgabe, sondern er wird von seinen Brüdern gewählt, sie wird ihm angetragen, vielleicht auch auferlegt. Gleichzeitig gilt auch für ihn: Er muss zuallererst ein Geführter sein. Denn die eigentliche Führungsperson soll immer Christus bleiben. Das Evangelium gibt die Leitlinie vor; die Klosterregel hilft zur konkreten Umsetzung und Aktualisierung; der Abt hat ein waches Auge darauf, dass diese Impulse lebendig bleiben.

Heute sind Äbte und Äbtissinnen geneigt, ihr Amt als ein Dienstamt unter anderen anzusehen. Und das ist eine gute Entwicklung. Dennoch hebt wenigstens die Benediktusregel selbst dieses eine Amt hervor. Und jeder Abt, jede Äbtissin wird die besondere Verantwortung immer wieder auch als Last und eigentlich überfordernden Anspruch spüren. Denn Benedikt verlangt vom Abt mindestens so viel, wie er ihm an Vollmachten gibt. Und er schärft ihm immer wieder ein, dass er vor Gott Rechenschaft ablegen muss über seinen Dienst und die ihm anvertrauten Seelen (RB 2,37–39).

Zugleich weiß Benedikt, dass auch der Abt ein gebrechlicher und unvollkommener Mensch ist, und dass er seine Verantwortung nicht allein tragen kann und soll. Er darf davon ausgehen, dass es Brüder und Schwestern an seiner Seite gibt, die ihm helfen können.

Wer aber kommt dafür in Frage – sowohl für das Abtsamt als auch für alle anderen Leitungsdienste?

Abtstugenden sind Mönchstugenden

Es fällt auf, dass Benedikt mehr über die Person bzw. Persönlichkeit der Verantwortungsträger sagt als über Führungstechniken und Fachkenntnisse (nur vom Tischleser und den Vorsängern heißt es, dass sie etwas können müssen, da ihr Vortrag die Zuhörer erbauen soll). Er schickt niemanden in einen Workshop für angehende Führungskräfte. Benedikt setzt auf die Schule des Lebens, in der sich schon zeigt, wie jemand mit anspruchsvollen oder belastenden Situationen klarkommt, wie er mit Menschen umgehen, sich selbst einbringen oder zurücknehmen kann, welche spirituellen Ressourcen ihn tragen oder ihm auch fehlen. Das alltägliche Leben zeigt, wen man mit Verantwortung und Leitungsdienst betrauen kann, nicht Zeugnisse und akademische Titel.

Das heißt nicht, dass fachliche Qualifikation, wo sie nötig ist, keine Rolle gespielt hätte. Aber Benedikt sagt dazu wenig; vielleicht ist ihm das selbstverständlich; vielleicht will er sichergehen, dass darüber die charakterliche und menschliche Eignung nicht vergessen wird.

In der Benediktusregel gibt es eine Reihe von sogenannten „Personalkapiteln“. Darin listet Benedikt Tugenden und Persönlichkeitsmerkmale auf, die solche Brüder haben sollten, die Verantwortung tragen. Da geht es um den Cellerar (den „Wirtschaftsminister“ des Klosters), die Dekane (die sich um eine überschaubare Gruppe der Brüder kümmern, wenn die Gemeinschaft zu groß ist, als dass der Abt jeden gut im Auge haben könnte), den Prior als den Stellvertreter des Abtes, den Pförtner, den Novizenmeister (der sich der jüngsten Gemeinschaftsmitglieder annimmt), den Krankenpfleger, die Brüder, die sich um die Gäste kümmern, die Handwerker usw. Eigentlich findet sich jeder irgendwo wieder. Und wenn nicht, dann gibt es für ihn das Kapitel über die „Werkzeuge der geistlichen Kunst“, die längste und umfassendste aller Listen christlicher Tugend, die Benedikt zusammengestellt hat und die für jeden Bruder, jede Schwester gleichermaßen gilt.

Grundsätzlich sind also alle aufgefordert, einen reifen, festen und gleichzeitig menschenfreundlichen Charakter zu entwickeln, der tragen und auch ertragen kann. Allerdings: Wer durch ein Amt hervorgehoben wird, hat Vorbildfunktion (vgl. RB 2,30) und muss wissen, dass sein Einfluss Gutes bewirken kann, aber auch mehr Möglichkeit bietet, Macht zu missbrauchen.

Wie die Führenden sein sollen

Was nennt Benedikt nun konkret als Auswahlkriterien für die Leitungsfiguren der Gemeinschaft?

Am ausführlichsten spricht er über den Abt, sogar in zwei Kapiteln. Diese hier genau zu betrachten, würde den Rahmen sprengen. Es soll genügen, zwei Punkte hervorzuheben, die besonders oder sogar ausschließlich vom Abt gesagt werden:

Erstens: Der Abt wird „Stellvertreter Christi“ (vgl. RB 2,2) genannt. Und es ist entscheidend, diese Bezeichnung richtig zu verstehen! Denn sie will ihm nicht Macht und Ehre verleihen, sondern ihn an seinen Auftrag erinnern: Christus nachzuahmen, indem er Frieden und Einheit stiftet und die Menschen zu Gott führt. Stellvertreter ist der Abt, weil er ein Stück weit für Christus einspringt – als Verwalter und Treuhänder. Dass damit nicht Regieren, nicht einmal Repräsentieren gemeint ist, sollte selbstverständlich sein. Vielmehr ist er damit – wie Christus – Hirte und Arzt (RB 2,7f; 27,1f.8; 28,2).

Zweitens: Der Abt muss eine gute Unterscheidungsgabe haben und das rechte Maß finden. Weil er oft die Grundrichtung angeben und Entscheidungen sowohl für die Gesamtheit als auch über Einzelne treffen muss, hängt viel daran, dass der Abt im richtigen Maß fordert und Rücksicht nimmt, dass er den rechten Augenblick und das rechte Wort findet, sich auf die Art, die Bildung, die Reife sehr verschiedener Menschen einstellt (RB 2,24f.32) und doch alle beisammen hält.

Da es sehr kurz und prägnant ist, soll uns noch das Kapitel über die Dekane (RB 21) als Beispiel und Zusammenfassung für die Anforderungen an Leitung im Allgemeinen dienen. In wenigen Stichworten skizziert Benedikt hier, worauf es ankommt:

Der Leitende muss den Geboten Gottes folgen, soll sich im Leben bewährt haben, vorbildliche Lebensführung vorweisen und von gutem Ruf sein – ein Mensch also, an dem sich die Gemeinschaft orientieren kann und der als eine solche Orientierungshilfe auch von der Gemeinschaft erkannt und anerkannt ist.

Der Leitende ist einer, mit dem der Abt seine Last unbesorgt teilen kann; einer, der den Weisungen des Abtes folgt – ein Mensch also, der vertrauenswürdig ist, der es nicht ausnutzt, ins Vertrauen gezogen zu werden und von dem man eine hilfreiche Einschätzung oder einfach das stille Mittragen erwarten kann; zudem ein Mensch, der nicht versucht sich selbst zu etablieren, sondern schlicht dem Abt in seiner Aufgabe hilft und zur Seite steht.

Der Leitende soll ein weiser Lehrer sein – ein Mensch also, der etwas von dem, was er erkannt hat, weitergeben kann. Von rednerischen Qualitäten ist nirgends die Rede; vielmehr gilt das gleiche wie für den Abt: er lehre mehr durch das eigene Vorleben als durch Worte (RB 2,12f). Und, wie im Kapitel über die Demut zitiert: Den Weisen erkennt man an den wenigen, aber passenden und klaren Worten (vgl. Sir 20,5–8; RB 7,60f).

Noch eine Erfahrung aus der Klostergeschichte: Nicht zu jeder Zeit passt die gleiche Persönlichkeit. Z. B. kann eine Gemeinschaft mal mehr die charismatische, mitreißende Abtsfigur wollen und brauchen, mal einen Organisator, mal einen Frommen, Stillen, ein Vorbild in Demut und Bescheidenheit. Was aber nie geht, ist eine Person, die einschüchtert oder – im anderen Extrem – die zu lässig ist. Vor beidem warnt Benedikt: Der Abt soll danach trachten, mehr geliebt als gefürchtet zu werden (RB 64,15) – und wenn die Gemeinschaft einmütig einen wählen will, der ihre Fehler durchgehen lässt, dann sollen sogar Leute von außen dagegen einschreiten (RB 64,3–5).

Rang und Namen

Benedikt sagt ausdrücklich, dass Rang bei der Wahl für ein Amt keine Rolle spielen soll (RB 21,4; 64,2). Mit dem Klostereintritt werden sowohl das natürliche Alter wie auch die soziale Herkunft (als Freier, Freigelassener, Sklave) bedeutungslos. In der neuen Gemeinschaft bestimmt sich die Rangordnung nach dem Eintrittsalter. Aber selbst das soll für die Vergabe von Aufgaben und Verantwortung nicht maßgebend sein. Der Abt, der in aller Regel die Ämter selbst vergibt, soll frei sein, einen zu wählen, der wirklich geeignet und für die Gemeinschaft gut ist.

Noch ein Wort zum Klerus: Benedikt selbst war kein Priester. Das Mönchtum war eine Laienbewegung und Benedikt verhält sich eher skeptisch gegenüber Geweihten, weil er Geltungsansprüche befürchtet. Er billigt den Geistlichen durchaus eine besondere Ehre zu, die aus ihren spezifischen Vollmachten erwächst: den Segen zu spenden und den Vorsitz bei der Eucharistie einzunehmen. Aber nichts weist darauf hin, dass Benedikt damit eine Befähigung zu Menschenführung und Leitungsdienst verbinden würde. Solche Fähigkeit muss sich an anderer Stelle zeigen.

Der Weise sucht Rat

Der Weise hört auf Rat (vgl. Spr 12,15) – er sucht ihn und kann ihn annehmen. Auch das gehört zum Leiten. Benedikt weist den Abt an, bei allen wichtigen Fragen und Entscheidungen die gesamte Gemeinschaft zusammenzurufen, und bei den weniger wichtigen einen kleineren Kreis von Älteren. Diese „seniores“ kommen an verschiedenen Stellen der Regel vor: Es sind nicht unbedingt im natürlichen Alter Fortgeschrittene, sondern es sind die Menschen in der Gemeinschaft, die gezeigt haben, dass sie einen Teil der Verantwortung mittragen können. Es sind diejenigen, denen Vertrauen geschenkt wird, die als Ratgeber gesucht werden, die auch auf die schwierigeren Gemeindeglieder, die Exzentriker, die Störenfriede zugehen, die trösten und integrieren können, weil sie in jedem trotzdem den Menschen und das Gotteskind sehen können. Solche Persönlichkeiten, egal ob sie ein offizielles Amt tragen oder nicht, sind sehr wichtig für jede Gemeinschaft und man tut gut daran, sie miteinzubeziehen.

Die gesamte Gemeinschaft soll also an wichtigen Entscheidungsprozessen teilhaben – das bedeutet: wirklich alle, auch die Jüngeren, die Ungebildeten, die nicht so Wortgewandten, die, die immer etwas dagegen haben; sie alle sollen gehört und ernst genommen werden – weil „der Herr oft einem Jüngeren offenbart, was das bessere ist“ (RB 3,3) und weil er mitunter auch durch einen störrischen Esel spricht (vgl. Bileams Esel: Num 22,21–30).

Benedikt sagt allerdings nichts von einer Diskussion bis zur Einmütigkeit. Vielmehr soll der Abt gut hinhören, dann abwägen und dann entscheiden (vgl. RB 3,2.5–6).

Wichtig für die Atmosphäre, in der solche Gespräche stattfinden sollen, ist eine gute Kultur, wie die eigene Meinung vorgetragen wird: Wer sich äußert, soll es in dem Wissen tun, dass er auch nur einen begrenzten Blickwinkel hat, also nicht anmaßend, besserwisserisch, wichtigtuerisch auftreten, sondern schlicht seinen Teil zum Puzzle des Gesamtbildes hinzufügen (vgl. RB 3,4.9).

Vom Umgang mit Fehlverhalten

Ein leidiges Thema ist die Frage, wie mit Fehlern und vor allem mit destruktivem Verhalten umzugehen ist.

Geht es um sachliche Fehler, ist die Sache klar: Wer den Fehler begangen hat, soll dafür gerade stehen und nicht die Schuld bei anderen oder den widrigen Umständen suchen. Vor allem soll man nicht versuchen, etwas zu vertuschen. Wer den Fehler selbst aufdeckt oder ehrlich zu ihm steht, der hat keine harte Strafe zu erwarten (vgl. RB 45; 46,1-4).

Fehlverhalten in dem Sinne, dass der Friede und das Zusammenleben gestört werden, lässt Benedikt nicht durchgehen (vgl. RB 2,26; 64,14). Schon aus der Verantwortung den Schwächeren gegenüber darf er das nicht, und er zieht Konsequenzen. Überall wo es um Ämter geht, warnt er vor Stolz und Hochmut – er muss viel Erfahrung damit gemacht haben. Und er weist an, die Personen auszutauschen, wenn Mahnungen nichts helfen (vgl. RB 21,5–7). Wer sein Amt braucht oder eines anstrebt, um mangelndes Selbstwertgefühl auszugleichen, ist für eine solche Aufgabe noch nicht reif.

Benedikt bricht seine Sorge für einen Menschen nicht mit dem Aussprechen eines Tadels oder einer Strafe ab – im Gegenteil, sie intensiviert sich noch. Wenn er selbst keinen Zugang zu dem Betreffenden hat, schickt er einen anderen, der vielleicht besser mit ihm reden kann (vgl. RB 27).

Wer Verantwortung trägt, muss heikle Themen ansprechen können. Entscheidend ist die Einstellung, die hinter jeder Kritik, Mahnung, Konfrontation stehen muss: Es geht um den anderen Menschen, sein Seelenheil, würde Benedikt sagen. Der Kritisierende muss sich seiner Motive bewusst sein und sie gut prüfen – sonst besteht die Gefahr, dass man den berühmten Splitter im Auge des anderen entfernen will, und den eigenen Balken im Auge nicht einmal erkannt hat. Jede Maßregelung soll deshalb vom Abt gebilligt sein, der so noch hinterfragen und korrigieren kann. Der Abt selbst muss umso mehr über große Selbsterkenntnis verfügen.

Wer sich selbst gut kennt, wird sehr maßvoll mit Kritik umgehen und ehrlich aber nicht verletzend anderen Personen gegenübertreten, nicht nur den Untergebenen, sondern auch Vorgesetzten und überhaupt allen Menschen.

Macht und Ohnmacht

Zu Führung gehört Autorität. Sie sichert den Führenden einen gewissen Freiraum und Handlungsbefugnis; beides bildet die Vorbedingung, um unbequemere Entscheidungen, eine Mahnung, eine Umstrukturierung etc. angehen zu können.

Aber mehr noch als mit ihrer Macht wird sich eine zur Leitung geeignete Person mit ihrer Ohnmacht auseinandersetzen müssen. Äußere Umstände, die Größe der Gemeinschaft und damit die zur Verfügung oder nicht zur Verfügung stehenden Menschen mit ihren Begabungen und Grenzen, die eigene Schwäche und Sündhaftigkeit, die Frage, ob die Brüder und Schwestern mitziehen, der ganze Bereich von Sympathie und Antipathie, wer mit wem kann und wer nicht – letztlich sind dem Abt oft die Hände gebunden. Es ist wichtig, damit seinen Frieden zu machen und nicht in eine Haltung des Durchdrückens, des harten Verfechtens von Idealen zu verfallen oder alles selbst zum Guten führen zu wollen. Ebenso wenig hilft Resignation und Passivität. Ohnmacht ist vor allem eine Erinnerung daran, dass Christus der eigentliche Hirte und Leiter ist. Das entlastet und richtet neu auf Gott aus.

Schlussgedanken

Bleibt die Frage, ob eine Mönchsgemeinschaft vergleichbar ist mit anderen kirchlichen Strukturen: mit Gemeinden, sozialen oder Bildungs-Einrichtungen, Gremien, Vereinen, einer Diözese oder gar der Gesamtkirche – denn Klosterleben beinhaltet ein asketisches Element der Unterordnung, das sich nicht auf andere Kirchenstrukturen übertragen lässt, vielleicht auch nicht übertragen werden sollte (vielleicht ist eher ein Vergleich mit der freiwillig gewählten Hingabe an den Ehepartner möglich).

Dennoch gibt es Vergleichspunkte; Benediktinerklöster werden manchmal als eine Kirche im Kleinen bezeichnet und als Gemeinschaften mit Modellcharakter gesehen. Denn hier wird christliches Zusammenleben eingeübt, und zwar rund um die Uhr, wie in einer Familie, und gleichzeitig unter Menschen, die charakterlich und von ihrer Herkunft her so bunt gemischt sind wie in jeder Pfarrgemeinde.

Mönchtum hat immer zwei Seiten: eine eremitische und eine kommunitäre. Auch Benedikts Mönche brauchen einen gewissen Hang zum Einsiedlertum, zu bewusst gewählter und ausgehaltener Einsamkeit. Aber bei Benedikt ist der kommunitäre, der gemeinschaftliche Aspekt doch wesentlich stärker gewichtet, nämlich nicht nur als notwendiges Übel (weil Menschen um eine gewisse Struktur kaum herumkommen, um sich allein schon physisch versorgen zu können), sondern als Weg, wie Christsein geübt werden kann: im Wachsen aneinander und miteinander, in Konflikt wie in gegenseitiger Bereicherung und Ergänzung. Beides ist zu erwarten; beides ist bewusst wahrgenommene Chance für einen Mönch nach Benedikts Vorstellung. Und konkret wird dieses Zusammenleben auch in quasi-gesellschaftlichen Strukturen: Verantwortungsbereiche, Aufgaben, Hierarchien, Weisungsbefugnisse, Autoritäten, Lehrer-Schüler-Verhältnisse usw. Gleichzeitig gilt der paulinische Grundsatz: in Christus sind wir alle gleich; alle Mönche sind Brüder, unabhängig von Alter, sozialer Herkunft, Stellung in der Gemeinschaft usw. – Wie das zusammengeht, ist eine Frage für alle Zeiten und alle Bereiche der Kirche.

Konkret können vielleicht folgende Denkanstöße formuliert werden:

Wie bewusst ist es Leitenden, dass ihre Aufgabe nicht nur Verantwortung für Abläufe, Leistungen, Ergebnisse bedeutet, sondern auch und vor allem für Menschen? – Wie gewichten wir Fachkenntnisse, wie die Persönlichkeitsstruktur bei der Vergabe von Ämtern, die Menschenführung beinhalten? Welche Rolle spielen Ehrentitel und formelle Auszeichnungen? Wie lassen wir die Befähigung nachweisen? – Was bedeutet Stellvertretung Christi? Wie kann der Heilige Geist Gottes die Führung behalten? – Welche Ämter werden gewählt, welche ernannt, und von wem? Wie begegnen wir einer Karrierementalität? – Wie stehen wir zu Dingen wie Gehorsam, Weisungen, Autorität; können wir dem etwas Positives abgewinnen, z. B. als Dienst an der Einheit und am Frieden? – Wie sorgen wir dafür, dass alle gehört und ernst genommen werden, und zwar besonders, wenn es um wichtige Fragen geht? – Welche Befugnisse sind aus der Weihe abzuleiten (bzw. welche nicht)? – Wenn Kritik, Strafe, Disziplinarverfahren nötig scheinen: welche Intention steht dahinter, und wie geschieht die Sorge um die „Ausgeschlossenen“?